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[whohit]big data_001: Immigranten[/whohit]

Ich bin ein Einwanderer.

Mit all den Problemen, die man hat, wenn man kein „Eingeborener“ ist. Ich spreche die Sprache mit unüberhörbaren Fehlern, verstehe nicht immer, was die „Natives“ mir sagen wollen, bin nicht mit allen Gebräuchen vertraut und stolpere so immer wieder in Situationen, in denen ich durch die Reaktionen meiner Umwelt merke, etwas falsch gemacht zu haben, ohne genau zu wissen warum.

Und auch die meisten meiner Leser werden es wohl sein: Einwanderer.

Sie schütteln den Kopf? Auf Sie trifft all das nicht zu?

Nun, ich spreche über die digitale Welt. Jene Welt, in denen die „Eingeborenen“ als „Digital Natives“ bezeichnet werden. Und die Einteilung in „Natives“ und allem; was bestenfalls „Immigrants“ sind, verläuft entlang einer einfachen Grenze. Geburtsjahrgang vor 1980? Nun, dann ist das mit den Natives gelaufen, so wie bei mir (Geburtsjahrgang 1974).

Natürlich habe ich einen Account auf Facebook (www.facebook.com), Twitter (www.twitter.com) , LinkedIn (www.linkedin.com) und bin auf Xing (www.xing.com) aktiv. Aber ein Account alleine ist es noch lange nicht. Das bedeutet noch lange nicht aktiv zu sein und es bedeutet auch noch lange nicht, die Systeme „richtig“ zu verwenden. Oder auf der gerade „richtigen“ Plattform angekommen zu sein. Und alleine im Bereich Social Media kennt Wikipedia (www.wikipedia.com) etwa 200 verschiedene Plattformen.

Und es geht dabei gar nicht um die Technik. Jeder, der es ins Internet geschafft hat, wird die entsprechenden Websites (oder „Apps“) bedienen können. Es geht um das Verhalten. Es geht um die Frage, was gebe ich preis? Wen will ich eigentlich worüber informieren? Bei den Natives stellt sich diese Frage größtenteils nicht. Sie gehen grundlegend davon aus, dass sowieso alles transparent ist und daher alles preisgegeben werden kann, oder sowieso alles eine Frage der Darstellung ist und die Identität im Web nicht mit ihrer realen Person zu tun haben muss. Die Vielzahl an Problemen, die damit einhergehen, beschäftigt eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und noch viel mehr Eltern auf der ganzen Welt (weshalb ich dieses Thema nicht weiter vertiefen will).

Bleiben wir doch bei den Immigrants und der Frage: Welche Information besitze ich, auf die die Welt schon immer gewartet hat? Ein Gedanke, den sich Natives nie stellen würden, an dem mein Twitter-Ich jedoch stark leidet (und wie in aller Welt verpacke ich diese Information in 140 Zeichen?).

Oder haben Sie sich schon einmal gefragt, was man mit 1000 gratis SMS im Monat anfangen sollen und wer so etwas ausnutzen kann? Nun, dann sind sie wirklich weit vom Verhalten eines wirklichen Natives entfernt (und haben offensichtlich keine Kinder im Teenager-Alter). 2011 verschickte ein durchschnittlicher amerikanischer Teenager laut Studien („Teen Mobile Report“, http://www.nielsen.com) ca. 3500 SMS im Monat. 2013 wird es nicht weniger sein, auch wenn die Karawane bereits Richtung „WhatsApp?“ (www.whatsapp.com) weitergezogen ist.

Offensichtlich kommunizieren wir also anders und sind uns nicht sicher, ob wir etwas zu sagen haben, während wir gleichzeitig das Bedürfnis haben, Information vollständig zu konsumieren. Immer wieder muss ich mich zurückhalten, wenn ich wieder einmal zwei Tage keine Zeit hatte mich im Twitter-Universum aufzuhalten, die Nachrichten dieser 48 Stunden nachzulesen (und damit unweigerlich für immer zeitlich hinter her zu hinken). Denn was vorbei ist, ist vorbei. Wen interessiert noch, dass es bei Mayers gestern Pizza gab, wenn heute dort Erdäpfelgulasch gekocht wird? Auf die Aussage: „Nichts ist älter als die Zeitung von gestern“, kann heute getrost geantwortet werden: „Doch der Tweet vor 2 Stunden“.

Natürlich kann man den ganzen Hype um Social Media ignorieren und sich so wenig darum kümmern, was dort passiert, wie um die Polsterschlacht-Weltmeisterschaft (bei der 2011 übrigens eine Österreicherin gewonnen hat) oder das berühmte Fahrrad in China – privat.

Beruflich sieht das schon wieder anders aus. Warum?

Nun, weil einerseits eben genau die „digital Natives“ voll im Berufsleben angekommen sind und sich nicht nur erwarten, dass dort die Kommunikation genau so funktioniert, wie sie es gelernt haben, sondern weil sie diese Kommunikation ganz einfach leben – im Unternehmen oder mit anderen in anderen Unternehmen. Und andererseits, weil die Werkzeuge, mit denen sie  ganz selbstverständlich arbeiten, auch einfach effizient sind und eine nicht unwesentliche Realität darstellen.

Ein paar Beispiele gefällig?

Um heute im IT-Bereich Mitarbeiter zu finden, kann man getrost auf Zeitungsinserate oder Job-Portale im Internet verzichten. Personalberater und Headhunter werfen mittlerweile ihre Netze in Xing und LinkedIn aus, um nach geeigneten Kandidaten zu angeln, und ebenso tun es die meisten Unternehmen. Passende Kandidaten suchen und ansprechen, das ist der Weg zu den richtigen Mitarbeitern, oder umgekehrt ein detailliertes Profil und die richtigen „Keywords“ (Suche: „Neue Herausforderung“), und schon kommen die Jobangebote von alleine.

Auch die Konsumenten haben eine Stimme bekommen, die manchmal nicht zu überhören ist. Möglicherweise hat nicht jeder 80.000 Follower auf Twitter wie Armin Wolf (@ArminWolf), aber wenn er sich auf Twitter über eine schlechte WLAN-Verbindung im Zug oder eine unfreundliche Hotline eines Mobilfunkbetreibers beschwert, kann man fast sicher sein, in spätestens zehn Minuten zu lesen, dass das Problem von den Unternehmen sehr schnell, kulant und äußerst freundlich behoben wurde. Die internationale Legende in diesem Bereich ist wohl die Geschichte von Dave Carroll und seinem Song „United Breaks Guitars“ (auf YouTube www.youtube.com – mit 13 Millionen Aufrufen zu sehen).

Und in Organisationen kann kaum etwas so schnell so weit Informationen verbreiten wie Plattformen wie Yammer (www.yammer.com) – außer vielleicht die unschlagbare Gerüchtebörse.

Wer also im Berufsleben steht und vielleicht auch noch einige Jahre beruflich aktiv sein wird, hat wohl kaum eine andere Wahl, als sich den notwendigen Einwanderungsprozeduren zu stellen und sich anzupassen – so gut es eben geht.

 

PS: Und falls Sie Zweifel haben, ob sie wirklich ein Immigrant sind – schauen Sie sich einfach das beliebteste Video auf YouTube an („PSY – Gangnam Style“) – mit 1,6 Milliarden Aufrufen – danach ist alles klar …

Franz Noll

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