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Konservierung von Kupferdruckplatten von Georg Matthäus Vischer (1628-1696)

Ein Aufruf an TGM Alumni zur Mithilfe bei der Erhaltung des 350 Jahre alten Schatzes aus der Niederösterreichischen Landesbibliothek.

Zurzeit werden die Kupferdruckplatten der „Topographia archiducatus Austriae Inferioris modernae“ (1672) und der Niederösterreich-Karten von Georg M. Vischer (1628-1696) aus dem Bestand der NÖ Landesbibliothek in der Restaurierung der NÖLB und dem Institut für Konservierung und Restaurierung an der Universität für Angewandte Kunst Wien untersucht und konserviert. Der momentane Zustand der Platten erfordert konservatorische und zum Teil restauratorische Maßnahmen: Korrosion und säurehaltige Überzüge „nagen“ am Kupfer.

Georg M. Vischers Kupferdruckplatten in einer der alten Verpackungen (Holzkiste, in der die Druckplatten in Papier eingeschlagen liegen). Foto: C. Gattringer, NÖ Landesbibliothek.
Vor rund 60 Jahren in der TGM-Werkstätte

Bereits Ende der 1950er-/Anfang der 1960er-Jahre sollen die Kupferdruckplatten am Technologischen Gewerbemuseum im WUK in einer Werkstattklasse von Lehrer/inne/n und Schüler/inne/n behandelt worden sein. Leider ist uns dazu nichts Weiteres bekannt.

Wir suchen ehemalige Schüler/innen und Lehrende, die sich an dieses Projekt erinnern können, eventuell daran mitgearbeitet haben und die uns genauere Informationen, schriftliche Aufzeichnungen (wie etwa Werkstattbücher) oder Fotos dazu geben können. Vor allem interessiert uns, wie und mit welchen Mitteln die Kupferplatten damals behandelt worden sind. So suchen wir insbesondere nach einem Produkt namens „LYO“ (möglicherweise ein Waffenöl). Falls jemand Genaueres dazu weiß und uns davon berichten kann, wäre uns bei der Konservierung und Restaurierung der Platten sehr geholfen.

Wir hoffen, die Platten durch ihre Konservierung wieder in einen solchen Zustand bringen zu können, der es erlaubt, sie und die neuen Erkenntnisse unserer Untersuchungen 2022 in einer Ausstellung in der NÖLB zu präsentieren und sie noch viele weitere Jahrhunderte für zukünftige Generationen bestmöglich zu erhalten.


Wir bitten um Ihre Mithilfe!

Wenn Sie Erinnerungen (Aufzeichnungen, Fotos, Werkstattbücher usw.) an die Arbeiten an den Kupferdruckplatten am „alten“ TGM Ende der 1950er-/Anfang der 1960er-Jahre und Informationen zu dem Produkt „LYO“ haben, melden Sie sich bitte unter: verband@technologe.at!


Zum Bestand und seiner Bedeutung

Die Niederösterreichische Landesbibliothek besitzt 300 Kupferdruckplatten des Topografen Georg Matthäus Vischer (1628-1696) und damit nach nunmehr dreihundertfünfzig Jahren immer noch fast sein gesamtes niederösterreichisches Œuvre, im Einzelnen:

  • 263 (von 263, ohne die dazugehörigen Viertels-Karten) Platten der „Topographia archiducatus Austriae Inferioris modernae“ (1672),
  • 14 Platten (von 20) der Großen Niederösterreichkarte („Archiducatus Austriae Inferioris Accuratissima Geographica Descriptio“ 1670 bzw.
  • „Archiducatus Austriae Inferioris Geographica et Noviter Emendata Accuratissima Descriptio“ 1697),
  • 16 (von 16) Platten der Kleinen Niederösterreichkarte,
  • „Archiducatus Austriae Inferioris Accuratissima Geographica Descriptio“ (1687),
  • 6 Platten (von 8) der Großen Viertelskarten von Niederösterreich „Das in dem Ertzhertzogtumb Vnter Osterreich … Viertl …“ (1698)
  • sowie ein Porträt Vischers mit ungeklärter Datierung.
Ein kleiner Überblick mehrerer Objekte der Sammlung bei deren Präsentation (v. li nach re: Bibliotheksdirektor wHR Prof. Mag. Hans-Joachim Alscher, Restauratorin und Kunsthistorikerin Mag. Dr. Christa Gattringer, Landesrat DI Ludwig Schleritzko, Abteilungsleiter & Archivdirektor PD Dr. Roman Zehetmayer MAS). Foto: W. Kunert.
Die Große Niederösterreichkarte

Die Kupferplatten der Großen Niederösterreichkarte kamen durch vorausschauende vertragliche Regelungen in der Auftragserteilung der niederösterreichischen Stände an Vischer zur Vermessung und Kartierung unmittelbar in den Besitz des Landes Niederösterreich. Sie wurde 1670 durch den Augsburger Kupferstecher Melchior Küsell (1622-1683) gestochen. Bereits 1697, ein Jahr nach Vischers Tod, haben die Stecher Jakob Hoffmann und Jakob Hermundt die Original-Kupferplatten überarbeitet und in die heutige Form gebracht. Die Spuren dieser Entstehungsgeschichte sind auf den Kupferplatten besonders deutlich zu sehen.

Die Große Niederösterreichkarte. Oben: Gesamtansicht. Unten: Blatt 14, hier hat G. M. Vischer sich selbst und einen Gehilfen bei der Vermessungsarbeit dargestellt. Am Boden liegen neben verschiedenen Instrumenten bereits eine seiner Skizzen für die NÖ Topografie. Bilder: NÖ Landesbibliothek.
Vischers Niederösterreich-Topografie

Im Zuge der Arbeiten an der Großen Niederösterreichkarte „Archiducatus Austriae Inferioris Accuratissima Geographica Descriptio“ stellte Vischer bis Mitte 1672 auch die „Topographia archiducatus Austriae Inferioris modernae“ (1672) mit 251 heute noch erhaltenen Doppelansichten von niederösterreichischen Städten sowie sieben Ansichten von Wien samt Titelblatt her. Die Kupferplatte dieses Titelblattes ist eine technische Besonderheit: da sie eine Aussparung besitzt, können mit ihr nicht nur die Haupttitelseite, sondern auch die Titelseiten für die vier Viertel durch Einsetzung eines von vier Kupfermedaillons gedruckt werden.

Die Darstellungen von Vischers „Topographia archiducatus Austriae Inferioris modernae“ zeigen den Bauzustand vieler niederösterreichischer Gebäude vor der Zerstörung durch die Türken 1683 und vor den danach folgenden Barockisierungen.

Ein Master-Tape in Kupfer

Warum uns der Besitz dieser Druckplatten wichtig ist: Während im 17. Jahrhundert neben der Funktion als Reproduktionsmedium auch der Materialwert des Kupfers von großer Bedeutung war, ist heute deren Unikats-Charakter das Entscheidende: in Analogie zum Musik-Business halten wir das Master-Tape in Händen! Keine einzige der Druckplatten wurde, wie sonst oft üblich, nach dem Drucken „gekreuzt“, d.h. durch Striche zerstört bzw. entwertet, da sie so für einen weiteren Abdruck nicht mehr verwendbar sind. Dies ist sicherlich dem Umstand zu verdanken, dass die Platten direkt in den Besitz der niederösterreichischen Stände kamen, die davon, wie bereits erwähnt, auch teils überarbeitete Neuauflagen drucken ließen.

Eine der Kupferdruckplatten (mit den Ansichten Nr. 15. Brunn am Stainfeld und 16. Closter unser Frauen Brunn) der NÖ Topographie von 1672, KU1/O4. Foto: C. Gattringer, NÖ Landesbibliothek.
Das Leben Georg M. Vischers zwischen Kriegen, Pest-Epidemien und Kunst

Als spannend erweist sich neben den Überarbeitungen auch die Wiederverwendung einzelner Platten: so finden sich auf der Rückseite von zwei Platten Teile einer Ansicht von München, was naturgemäß in keiner Druckausgabe zu sehen ist. Bei genauerem Hinsehen erlauben die Druckplatten also neue Einblicke in Leben, Werk und Arbeitsweise von Georg Matthäus Vischer. Dieses war geprägt durch den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und den Türkenkrieg (1683-1697) sowie die immer wieder drohenden Pest-Epidemien, unter anderem 1679-1681. Bereits als Fünfzehnjähriger soll Vischer am Dreißigjährigen Krieg teilgenommen haben; später arbeitete er nicht nur als Topograf, Kartograf, Künstler und Lehrer, sondern war auch immer wieder als Seelsorger angestellt

Autorin:
Mag. Dr. Christa Gattringer
NÖ Landesarchiv & NÖ Landesbibliothek, St. Pölten

Die Große Niederösterreichkarte (siehe Bilder rechts) gibt es auch im Internet zum Ansehen. Dort kann man, dank der hohen Auflösung, auch Details genau „unter die Lupe nehmen“.


Wir bitten um Ihre Mithilfe!

Wenn Sie Erinnerungen (Aufzeichnungen, Fotos, Werkstattbücher usw.) an die Arbeiten an den Kupferdruckplatten am „alten“ TGM Ende der 1950er-/Anfang der 1960er-Jahre und Informationen zu dem Produkt „LYO“ haben, melden Sie sich bitte unter: verband@technologe.at!

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