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Ein Ingenieur muss alles können

Gedenken an Otto König, M55

Von Fred Winter – in Zusammenarbeit mit Dietrich Schuster und Hellmut Titze

 

Oft und oft hatten wir in der zweiten und dritten Klasse der M55 diesen Wahlspruch unseres verehrten und heiß geliebten Professors für Maschinenelemente Ralph Pschunder gehört. Nicht wenige von uns haben diesen Wahlspruch beherzigt. Einer, der ihn voll ausgelebt hat, war Otto König.

Vier Jahre waren wir in der Schulbank in der ersten Reihe nebeneinander gesessen, hatten gemeinsam für die Matura gelernt, und die Freundschaft hielt auch danach noch an. Aber der Drang in die Ferne steckte in ihm, und 1957 verließ er Wien und ging nach Salzburg zur städtischen Elektrizitätsversorgung. Dort hielt es ihn auch nicht lange, ein Jahr später trat er einen Posten als Entwicklungsingenieur bei einem Züricher Unternehmen an, dem er eine Reihe patentfähiger Ideen verschaffte. Doch auch dort wurde es ihm zu eng, und obwohl ihn der Chef der Firma mit großzügigen Angeboten halten wollte, saß er eines Tages mit 500 Dollar (und der Reserve für die Rückreise) im Schiff nach New York – ohne irgendeine Vorbereitung, ohne Zusage für einen Posten. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, und so sah auch das Ergebnis zunächst aus. Trotz aller Bemühungen gelang es ihm nicht, eine adäquate Arbeit zu bekommen. Als sein Geld schon fast zu Ende war, und er schon die Rückreise ins Auge fassen musste, wies ihn jemand auf die Möglichkeit hin, als Österreicher (nach Toni Sailer!) als Skilehrer zu arbeiten. Da ein Ingenieur eben alles können muss, packte er die Gelegenheit beim Schopf. Damals war Skifahren in den USA noch etwas für die Haute volée, und eines Tages lachte ihm das Glück, als er im Gespräch mit einem seiner „Schüler“ seinen wahren Beruf offenbarte. Der Mann nahm die Gelegenheit wahr, einen jungen tüchtigen Ingenieur in seine Firma im Großraum New York zu engagieren, und Otto hatte seinen ersten „richtigen“ Posten. Wie er mir später erzählte, war für ihn eine der härtesten Herausforderungen die Umstellung auf das Zoll-System. Aber auch das gelang, und nach einigen Jahren wechselte er als Chefingenieur der Entwicklung in eine andere Firma, in der er bis 1968 blieb. Er war in Amerika „angekommen“, und wie viele in dieser Situation traf er sich häufig mit der deutschsprachigen „Community“ New Yorks im Swiss Ski Club.

Vielleicht hätte er es noch länger in dieser Situation ausgehalten, wäre ihm nicht dort eines Tages das Schicksal in Person einer jungen blonden Deutsch sprechenden Chilenin begegnet, die ihre chilenische Freundin in New York besuchte, die mit Ottos bestem Freund in New York verheiratet war. Die beiden fanden Gefallen aneinander, und so war es nur verständlich, dass Otto ihr Angebot annahm, ihm ihr Land zu zeigen. Damit war es um ihn geschehen. 1967 heirateten die beiden, und er bekam die tolle Chance, für Ford ein Produktionswerk für LKW in Chile aufzubauen. Wieder einmal musste er beweisen, dass ein Ingenieur alles kann, denn abgesehen von der fachlichen Herausforderung galt es für ihn, in kürzester Zeit Spanisch zu lernen. Das muss ihm wieder recht gut gelungen sein, denn er bekam nach der Fertigstellung die Leitung des Werkes angeboten. Das Werk arbeitete mit stark wechselndem Erfolg, was im Zusammenhang mit der ebenso wechselhaften politischen Situation im Land beinahe einmal zur totalen Aufgabe und „Flucht“ nach Europa geendet hätte. Doch das Leben hielt noch einiges an Abwechslungen für ihn bereit. Mit dem Bestreben, immer wieder Neues zu versuchen, war seine Frau ihm sehr ähnlich. Schließlich entstand die Idee, sich mit einer Landwirtschaft selbständig zu machen. Ein 55 ha großer „Fundo“ wurde gekauft, Otto quittierte seinen fulminanten Posten als Werksleiter und begann seine neue Karriere als Landwirt. Aber Otto hatte auch die Konsequenz, sich durchzubeißen. Am Ende waren es die Luxus-Tafeltrauben, mit denen er überragende Exporterfolge nach USA und Europa erzielte. Ein wunderschöner Landsitz nördlich von Santiago de Chile und ein ebensolcher Sommersitz am Ufer eines Sees weiter südlich geben Zeugnis davon. Für diesen Einsatz bezahlte er aber auch seinen Preis in Form von zwei Herzinfarkten.

2003 verpachtete er sein Unternehmen an einen Ratgeber und Freund und trat 2005 bei unserem 50-jährigen Maturajubiläum als weltmännisch seriöser Rentier auf, der natürlich im Mittelpunkt unseres Interesses stand. Und so war es uns 2006 vergönnt, unsere alte Freundschaft neu zu beleben. Im Rahmen einer zweimonatigen Reise führte er mit seiner Frau einen seiner Brüder und mich mit unseren Ehefrauen vier Wochen durch Chile – auf Wegen, die kein Tourist betritt, um Vulkane herum, an idyllischen Seen entlang, an die Pazifikküste und zu historischen Stätten.

Doch er lebte nicht als Pensionist. Neue Pläne entstanden, und schließlich entschied er sich, eine Trüffelfarm aufzubauen. Das Grundstück war schon vorhanden und die ersten Ankäufe dazu getätigt. Im Jänner 2014 waren wir noch eine Woche bei ihm zu Gast, Mitte Juni trafen wir einander bei seiner letzten Europareise und schmiedeten bereits wieder Reisepläne für das nächste oder übernächste Jahr.

Es hat nicht sollen sein. Am 27. Juli 2014 versagte ihm sein Herz ein letztes Mal und diesmal endgültig den Dienst. Eine Woche davor war er glücklich von Europa zurückgekommen.

Otto König war für mich der Prototyp des gebildeten, an allen Dingen der Welt interessierten Österreichers und Europäers, auf dessen Wort und Tat man sich immer verlassen konnte. Er hat Ralph Pschunders Wahlspruch voll erfüllt.

 

Otto, einen Freund wie Dich findet man nur einmal im Leben !

Dein Fred

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